Samstag, 31. Mai 2014
Die Techniken meines Hochstaplers Teil 2
Die Techniken meines Hochstaplers

Teil 2: Die Mitleidstour

Was macht ein Hochstapler, wenn jemand ihm auf die Schliche zu kommen droht?
Er braucht eine plausible Begründung, warum gerade ausnahmsweise diesmal die Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie doch eigentlich laufen sollten. Unter allen Umständen braucht er also eine Erklärung, die seine Täuschung nicht auffliegen läßt.

Bei meinem Prinz Charming funktionierte das so:
Er war ja leider zunächst öfters krank. Passenderweise war er in der Tat einige Male für einige Tage krank geschrieben. Natürlich ist er so schnell wie möglich wieder zur Arbeit erschienen, auch wenn er noch garnicht richtig fit war. Aber als Leih-Arbeitnehmer kann er es sich nicht leisten, lange krank zu sein. Sonst würden wir ihn doch rauswerfen, oder?
Er fragt also nach einem guten Krankenhaus, weil er noch eine Wunde zu versorgen hätte. Was das genau ist, weiss ich nicht. Er legt haufenweise Medikamente auf seinem Schreibtisch aus. Antibiotika und Schmerzmittel. Er läßt sich nicht überreden, erstmal richtig auf die Beine zu kommen, weil er zuviel Angst vor seiner Verleihfirma hat.

Wochen später hat er die nächste Krankheit. Er kann am Montag nicht kommen wegen einer das Sitzen beeinträchtigenden Unpässlichkeit. Am Dienstag taucht er aber wieder auf, anscheinend war die Unpässlichkeit doch nur vorübergehend.
Monate später stelle ich endlich Regelmäßigkeiten mit Montags-Problemen fest. Wenn er montags da ist, ist er meist wenig fit. Immer hat er eine Erklärung: Die lange Fahrt, psychischen Stress, ein ich-würde-es-nicht-burnout-nennen psychisches Problem. Durch das jahrelange Fernpendeln habe er viele Freunde verloren, weil er es nicht schaffe, die Freundschaften zu pflegen.
Er gibt sogar einmal zu, dass er die Arbeiten lieber noch vor dem Wochenende fertig macht, weil es Montag immer so schwer wäre, wieder reinzukommen. Nur fertig wird ja nie etwas, es sei denn, der Niederländer diktiert ihm, was er tun soll. Und diese Schmerzen, die hätten ihn echt fertig gemacht.

Die Mitleidstour funktioniert auch bei anderen Kollegen.
Ein Betriebsratsmitglied setzt sich für Prinz Charming ein, als die Verleih-Firma ihm eine Abmahnung schickt.
Heute frage ich mich, warum bei mir damals nicht die Alarmglocken läuteten. Aber so ein "Leiher" ist eben doch eine arme Sau und die Verleih-Firmen sind schon ziemlich schlimm. Unser Betriebsrat findet ja sowieso, dass die Leiharbeitnehmer viel zu schlecht behandelt werden. Prinz Charming schafft es, dass sich das Betriebsratsmitglied der Verleihfirma gegenüber nicht einmal als Betriebsrat zu erkennen gibt. Ich muss den Kollegen bei Gelegenheit nochmal interviewen, was genau da abgelaufen ist. Aber ich habe so eine Idee, dass er dem Spruch aus der Kategorie "es könnte auch nach hinten losgehen" auf den Leim gegangen ist. Die Sprüche von Prinz Charming sind sowieso ein eigenes Thema.
Der Berliner (mein neuer Nick für AHNÜH4) hat auch jede Menge Mitleid, zumal als es dann dem Ende zugeht. Prinz Charming hat offensichtlich ziemlich viel Zeug in seiner Zweitwohnung angesammelt. Ist doch kaum zumutbar, dass Prinz Charming innerhalb von 4 Wochen dieses ganze Zeugs wieder an seinen ersten Wohnort transportiert.

Weitere Montags-Phänomene und ihre Erklärungen:
Das Auto ist kaputt. Prinz Charming kommt nicht mit dem Zug, sondern erst am Dienstag mit dem frisch gekauften Ersatzauto. Das gekaufte Ersatzauto ist auch kaputt. Prinz Charming kommt erst am Dienstag mit dem selbst reparierten Ersatzauto. Das Auto ist immer noch kaputt, weil Prinz Charming ja nie Zeit dazu hat, es zu reparieren. In eine Werkstatt gibt er seine Autos übrigens grundsätzlich nicht. Heute frage ich mich, ob da wohl irgendein Wort wahr dran ist. Der Berliner meint irgendwann: Tja er kann halt Montag früh noch nicht Auto fahren, wenn er sich am Wochenende "die Kante" gegeben hat.

Den Vogel schiesst Prinz Charming ab, als er an seinen letzten 3 Tagen noch Montag zur Sitzung kommen soll.
Da ruft er mich aus dem Urlaub an, er hätte einen Termin für ein Vorstellungsgespräch. Und das, obwohl wir die Termine, zu denen er da sein soll, vorher abgesprochen hatten. Übrigens lächelt er sogar am Telefon gewinnend. Ich staune mal wieder über die umwerfende Wirkung auf mich, aber das weiss ich ja nun schon. Ich sage also: Das geht nicht. Denn ich will, dass er an diesem Montag bei meinem Chef ein gutes Wort für mich einlegt. Ich will nämlich beobachten, wie er das macht.
Er ruft mich wieder an und hat angeblich das Gespräch gecancelt und seinem Gesprächspartner per e-Mail mitgeteilt, dass er noch in einem Projekt sei, und daher nicht kommen könnte. Mich wundert das ein wenig, denn wenn es um meine berufliche Zukunft ginge, hätte ich bei den Terminabsprachen besser aufgepasst und sie mir mal notiert und so schnell hätte ich mich auch nicht abwimmeln lassen. Und meinen potentiellen Arbeitgeber mit dem Hinweis auf "Das Projekt erfordert meine Anwesenheit" bestimmt nicht abgespeist. Später erkläre ich mir das so, dass es vielleicht gar keinen Termin gegeben hat.

Am betreffenden Montag hat Prinz Charming wieder sein Rote-Augen-Syndrom. Der Berliner meint, es hätte ihm garnicht gepasst, dass er zu dem Termin noch kommen sollte. Aber anscheinend hat er sich auch nicht getraut, fernzubleiben. Feige ist er also auch noch.

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Donnerstag, 29. Mai 2014
Die Techniken meines Hochstaplers Teil 1
Die Techniken meines Hochstaplers

Teil 1: Die Lächel-Maske

Manche Leute versuchen gelegentlich, ihre wahren Gefühle zu verbergen und setzen dann eine unbewegte Miene auf.
Mein Prinz Charming macht das viel cleverer: Er lächelt.
Ob er damit seine wahren Gefühle verbirgt oder gar keine hat, ich weiss es nicht.
Das Lächeln passt bei erstaunlich vielen Gelegenheiten.
Es macht ihn sympathisch, ein netter Junge eben. Man fühlt sich wohl in seiner Gegenwart.

Prinz Charming hat sein Lächeln perfektioniert. Viele, viele Stunden Übung.
Um etwas richtig gut zu können, benötigt ein Mensch 10.000 Stunden Übung. Das sind ca. 7 Arbeitsjahre, wenn 40 Stunden die Woche gearbeitet werden.
Prinz Charming lächelt schon 40 Jahre!

Sein Lächeln ist seine automatisierte Reaktion für fast alle Gelegenheiten. Er kann das rasend schnell und sein Lächeln ist sehr gewinnend. Jedenfalls bei mir funktioniert es. Dabei schaut er mir auch ganz freundlich in die Augen.
Einem der lächelt, tut man auch nicht weh. Man brüllt ihn auch nicht an. Man kann auch nicht so einfach sagen: Hör mal, Du netter Junge, das war aber nicht so doll mit Deiner Leistung.

Prinz Charming lächelt auch, wenn er nicht weiter weiss.
In unseren letzten gemeinsamen Tagen, als ich in den Beobachter-Modus gewechselt bin, stelle ich dann doch fest, dass er gelegentlich winzig kleine Verzögerungen hat, bevor er sein Lächeln aktiviert.
Beispiel: Wir besprechen im Team, ob wir ein Feature "unter der Hand" mal eben schnell implementieren, weil wir es dringend bräuchten und der Dienstweg dafür eigentlich zu zäh ist.
Der Niederländer meint: Wir machen es wie Grace Hopper. Ich stimme ihm zu. Prinz Charming - lächelt.
Er hat (für mich jetzt endlich offensichtlich!) keine Ahnung, wovon wir reden. Aber das würde er niemals zugeben.
Dabei hängt bei mir im Büro ein Poster der alten Dame mit meinen 2 Lieblings-Sprüchen von ihr:
"It is always easier to ask for forgiveness than it is to ask for permission"
(es ist immer leichter, um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen)
"If in doubt, do it!" (Im Zweifel: tue es!)

Manchmal passt die Lächel-Maske aber dann doch nicht. Was tun?
Ich habe drei Gelegenheiten erlebt, in denen Prinz Charming nicht gelächelt hat. Beachtlich, wenn man bedenkt, wie lange er bei uns war.
Gelegenheit 1: Ich habe ihn vor dem Team mit seiner Minderleistung konfrontiert. Sein Blick war so ... anders.
Gelegenheit 2: Ich habe ihm gesagt, dass er gehen muss. Sen Blick war so ... unbeteiligt.
Gelegenheit 3: Ich habe ihn gebeten, für mich ein gutes Wort bei meinem Chef einzulegen.
Das fiel mir irgendwie schwer, in Prinz Charmings Gegenwart rüberzubringen, denn ich wollte ihn eigentlich ein bisschen austricksen und habe da wohl wenig Talent.
Sein Blick war so ... interessiert- bis neutral und emotionslos.
Umgehend setzte er seine Lächel-Maske auf und sagte: Das mache ich. Das mache ich wirklich sehr gern.
Er hat es dann tatsächlich getan und ein bisschen kam es mir nachher vor, als wenn das endlich mal eine Aufgabe war, die er erfüllen konnte.

Die Nicht-Lächel-Variante war also extrem selten, der Blick war forschend-prüfend-interessiert bis neutral und in allen Fällen emotionslos.
Irgendwelche Emotionen jenseits des Lächeln habe ich an Prinz Charming nicht ausmachen können.
Naja, bis auf die Mitleidstour, aber das ist eine andere Technik.

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