Sonntag, 24. März 2019
Morgendlicher Spaziergang in der Uckermark. Und dann verlaufe ich mich.
Die Vögel zwitschern, ich bin wach und es ist noch viel, viel Zeit bis zur Chorprobe.
Ich stehe auf, ziehe mich an und mache einen Spaziergang um das Schloß, in dem wir das gesamte Wochenende proben werden.
Gestern Abend hatte ich keine Zeit dafür, also nehme ich das Handy mit und mache ein paar Aufnahmen. Draußen ist es noch neblig, alles sieht verwunschen romantisch aus.

Strohballen

sind so schön drapiert. Als Teilzeit-Stadtmensch fällt mir hier heute so etwas auf.

Frühlingsboten

Immer schön. Ich frage mich, warum ich in meinem Garten so einen Strauch noch nicht habe.

Die alte Allee fällt bald auseinander

Das denke ich beim Betrachten des Fotos. Alles erscheint hier irgendwie altehrwürdig und zugleich skurill.

Nebelschloß

Es könnte beinahe in Schottland stehen, aber nein, es steht in der Uckermark.

Der Park geht nahtlos in einen Wald über, ich habe immer noch viel viel Zeit. Warum also nicht?

Allein wegen diesem Foto hat sich das Aufstehen und der Weg gelohnt. (Eigentlich müsste es wegen dieses Fotos heißen, aber das klingt irgendwie gestelzt.)

Ich mache eine große Runde, gehe also erstmal eine halbe Stunde in eine Richtung und genieße den Morgen.
Dann will ich mich auf den Rückweg machen. Es ist so schön hier, ich biege nochmal seitwärts ab. Der Plan ist, dann auf einem anderen Weg zurückzugehen.
Der Weg geht dann irgendwann um eine Kurve. Ich biege wieder ab. Und biege wieder ab.
Und bin mir nicht mehr ganz sicher, wo ich eigentlich lang muss. Ich versuche mich an der Sonne zu orientieren, die mittlerweile rausgekommen ist. Die Sonne geht ja bekanntlich im Osten auf. Aber in welche Himmelsrichtung bin ich wohl losgelaufen?
Hier war ich schon einmal. Also anders lang. Oder doch verkehrt?
Wieder komme ich erneut an der gleichen Stelle raus. Nicht gut. Die Stunde ist um. Ich werde hungrig und meine Gedanken kreisen um das Frühstück. Ob es schwarzen Tee gibt?
Aber die Frage ist: Wo lang muss ich gehen? Ich blicke mich um. Ich weiss es nicht. Diesen toten Baum habe ich schon gesehen, oder doch nicht? Dort hinten sind Birken, ich bin doch vorhin an den Birken vorbeigekommen.
Die Birken führen mich auf ein Feld mit Sonnenkollektoren und einem Zaun davor. Zivilisation. Das ist gut.
War in der Umgebung des Schlosses ein Feld mit Sonnenkollektoren? Bin ich daran vorbeigefahren? Vielleicht hinter dem Nebel?
An den Kollektoren ist Schluss. Kein Durchkommen dort. Ich gehe weiter, in die Richtung, die eigentlich die richtige Richtung sein müsste, wenn mein Orientierungssinn mich nicht völlig im Stich läßt.
Und diese Straße am Waldrand? War die vorhin schon dort und ich habe sie nur nicht sehen können?
Der Weg endet an einer Lichtung, auf der Wildschweine angefüttert werden. Um mich herum raschelt es im Gebüsch. Der Wald ist voller Tiere, die spüren, dass mit mir etwas nicht in Ordnung ist. Die ersten Anzeichen von Panik machen sich breit. Ich habe kein Auge mehr für die Tiere.
Rehe? Wildschweine? Hier sieht es schön aus, denke ich, aber ich habe keine Muße mehr, Fotos zu machen.
Ich sehe einen Hasen weglaufen, aber ich kann mich nicht an seinem Anblick erfreuen.
Ich drehe um, kreuze einen anderen Weg, den ich auch schon gelaufen bin. Aber aus welcher Richtung kam ich?
Ich muss mir selbst eingestehen, dass ich mich verlaufen habe. Ich brauche eine Strategie, um wieder zurück zu finden. Ich bin jetzt schon anderthalb Stunden unterwegs und mein Handy bricht die Suche mit einem unbekannten Fehler ab. Zu dumm, dass ich mir die Karte nicht vorher mit WLAN runtergeladen habe. Aber wer konnte ahnen, dass ich mich verlaufen werde?
Das war nicht geplant. Ich habe Hunger und die Füße stecken in den falschen Schuhen für eine Wanderung.
Ich wollte ja schon lange mal eine längere Wanderung unternehmen. Wenn ich endlich den richtigen Weg finde, schaffe ich es noch rechtzeitig zum Einsingen. Vielleicht fangen sie ja auch etwas später an.
Wieder versuche ich mit dem Handy den Weg zu finden. Es gelingt mir schliesslich. (Danke, Dr. G. Oogle!) Nur der Weg muss noch laden. Es sind mindestens 34 Minuten zu Fuß. Dann wäre die Frühstückszeit vorbei. Ich bin schon durchgeschwitzt, das Duschen vorhin war also umsonst.
Ich stolpere über den "Weg", der eigentlich eher eine Zufahrtstraße für Jägerautos und Waldarbeiter ist.
Pfützen, Äste, Wildschweinkuhlen bilden meinen Weg und immer noch bin ich nicht auf dem richtigen Weg, den das Handy zeigt.
Endlich. Hier war ich schon heute. Was? In diese Richtung muss ich? Genau andersherum als gedacht.
Da hätte ich noch lange weiterlaufen können. Ich bin also die ganze Zeit im Zickzack durch den Wald geirrt, ohne ernsthaft von der Stelle zu kommen.
Eine weitere Dreiviertelstunde später erreiche ich durchgeschwitzt, hungrig, vor allem durstig, aber auch ziemlich erleichtert, das Schloss.
Ich stürze mich auf das Frühstück, das glücklicherweise noch nicht abgeräumt ist.
Das Einsingen verpasse ich, aber zur Probe bin ich rechtzeitig da.
Das ist ja nochmal gut gegangen.

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