Die Techniken meines Hochstaplers Teil 3
Die Techniken meines Hochstaplers

Teil 3: Das Spiegeln

Jetzt kommen wir zu den richtig spannenden Techniken des Prinz Charming. Hier werden wir beginnen, die hohe Kunst des Hochstapelns zu würdigen.
Prinz Charming spiegelt mich. Er spiegelt mein Verhalten, meine Körpersprache, er vermittelt den Eindruck, mir ähnlich zu sein. Und das geht so:

Ich erzähle von meinem einjährigen Auslandsaufenthalt in Oxford. Tage später erzählt Prinz Charming von seinem einjährigen (!) Auslandaufenthalt in der Schweiz. Wir reden über Eigenheiten verschiedener Nationalitäten und da kann Prinz Charming mithalten.
Ich wundere mich noch, weil ich mich garnicht daran erinnere, davon in seinem Lebenslauf gelesen zu haben.
Den Lebenslauf hatte ich leider unserem Einkauf zurückgegeben. Beim nächsten Leiharbeitnehmer werde ich mir eine Kopie aufheben, auch wenn das eigentlich nicht erlaubt ist.
Später, als ich schon Verdacht geschöpft hatte, schaue ich mir sein XING Profil an. Das ist ziemlich leer. Da kann man also gut alle möglichen Geschichten rein-erfinden.
Wenn ich einen einjährigen Schweiz-Arbeitsaufenthalt zu bieten hätte, mit Sicherheit stände der in meinem XING Profil, insbesondere wenn ich gerade wieder auf Jobsuche bin.
Aber bei Facebook finde ich eine Frau mit dem gleichen Nachnamen, die zu Prinz Charmings Freunden gehört und in der Schweiz wohnt. Leider bin ich ein schlechter Zuhörer, wo nochmal war Prinz Charming in der Schweiz arbeiten?

Am besagten letzten Montag beobachte ich nun auch Prinz Charmings Körpersprache. Zunächst hat er ja den "Auftrag", in unserer Retrospektive viel Gutes über mich zu sagen. Ziemlich überschwänglich bedankt er sich bei mir, dem Berliner und dem Niederländer für die tolle Zusammenarbeit. Und die Probleme des Projekts lägen nicht an mir. Denn wir sind leider sehr hinter unserem Zeitplan hinterher. Weitere Worthülsen folgen. Ich finde, er ist nicht wirklich überzeugend, aber es geht ja auch nicht um ihn, sondern um mich.
Danach stelle ich fest, dass er mich beobachtet. Ich bin in der Sitzung ziemlich entspannt, weil es nicht mehr schlimmer kommen kann, der Chef und die Kollegen wissen bescheid, also was soll's. Prinz Charming beobachtet also meine Körperhaltung. Zunächst glaube ich, er beobachtet, um zu lernen für später. Plötzlich bemerke ich, dass er meine Körperhaltung zu imitieren beginnt.
Ich hatte meine Ellenbogen auf den Tisch gestützt, da bemerke ich, dass er mir das nachahmt. Ich zögere einen Moment, dann ändere ich meine Körperhaltung.
Prinz Charming verändert seine ebenfalls, und wieder imitiert er die meine. Das gefällt mir jetzt irgendwie nicht, ich ändere umgehend erneut meine Körperhaltung und schaue nicht mehr zu ihm, nachdem ich ihn noch mit einem ärgerlichen Blick bedacht hatte.

Später lese ich in einem Buch über Körpersprache, dass die Imitation der Haltung des Gegenüber bedeute, dass er es wirklich mag. Das ist einer der Gründe, warum es mir so schwerfällt, mich mental von Prinz Charming zu trennen und meiner eigenen Wahrnehmung eben nicht zu glauben. Ein Teil von mir wünscht sich immer noch, wenigstens ein kleiner Teil an der zur Schau gestellten Sympathie wäre wahr. Ich würde aber fast meine Hand dafür ins Feuer legen, dass es sich auch hier wieder nur um eine strategische Technik des Hochstaplers handelte, mein Wohlwollen zu erhalten. Oder er tut es einfach, weil er es kan und will die Wirkung auf mich austesten. Dann wären wir ja schon zu zweit. Diese wenig erfreuliche alternative Interpretation, dass ich auch hier einer Täuschung unterliege, ist schwer zu ertragen.

Das Spiegeln dient also dazu, eine gefühlte Ähnlichkeit beim Gegenüber zu erzeugen. Gespiegelt wird die Körperhaltung, die Erlebnisse, alles was Gemeinsamkeit und damit Gemeinschaft schafft. Es fällt viel schwerer, ein Mitglied der eigenen Gemeinschaft auszuschliessen als einen Fremden. Von vielen Chefs ist bekannt, dass sie gern ihr 20 Jahre jüngeres Ebenbild einstellen. Ich lasse also nochmal unser Einstellungsgespräch vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Ein Satz fällt mir ein. Prinz Charming sagte: "Ich wollte mal wieder an einem Forschungsinstitut arbeiten". Klar, er ist einer von uns!
Welche weiteren Techniken er anwendet, um seine Zugehörigkeit zu zeigen, beschreibe ich im nächsten Teil.

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arboretum, Samstag, 31. Mai 2014, 23:43
Den Lebenslauf hatte ich leider unserem Einkauf zurückgegeben.

Wieso in aller Welt hat der Einkauf den Lebenslauf? Das ist doch allenfalls Sache der Personalabteilung.

Beim nächsten Leiharbeitnehmer werde ich mir eine Kopie aufheben, auch wenn das eigentlich nicht erlaubt ist.

Das sollten Sie - nicht nur im Hinblick auf den Datenschutz - wirklich nicht tun. Würden Sie wollen, dass jemand Unbefugtes das mit Ihrem Lebenslauf macht?

witchit, Sonntag, 1. Juni 2014, 01:33
Leiharbeitnehmer werden nicht eingestellt, sondern eingekauft. Darum gibts auch keinen Lebenslauf in der Personalabteilung, sondern er ist Bestandteil des Angebots der Verleihfirma.
Das mit dem Lebenslauf kopieren war auch nicht so ganz wörtlich gemeint. Falls ich nochmal in so eine Situation komme, frage ich nach Referenzen (der Telefonnummer vorheriger Arbeitsstationen) und rufe da an.
Und sich Notizen zu machen und den Lebenslauf gründlich zu memorieren ist ja nicht verboten.

klausk, Sonntag, 1. Juni 2014, 09:10
wenn ich einen Lebenslauf zu meinem potentiellen Arbeitgeber sende, dann denke ich, dass ich damit rechnen muss, ihn auch noch nach Jahren zu verteidigen. Ich kenne die diesbezüglichen deutschen Datenschutzregelungen nicht, aber ich denke die gesamte Bewerbung gehört in die Personalmappe und sollte zu jeder Zeit dem Vorgesetzten zur Verfügung stehen.

Aber vielleicht bin ich auch schon zu lange nicht mehr in Deutschland?

witchit, Sonntag, 1. Juni 2014, 15:47
Der Lebenslauf ist in der Personalakte des Verleihers, denn der ist der Arbeitgeber. Wenn ich genug Energie investiere, komme ich da auch in jedem Fall ran. Aber ich hatte keinen dringenden Grund dazu. Ein Anruf und die Sache war für mich erledigt.

Dass ich viel Energie und Freizeit in das Phänomen investiert habe, steht auf einem anderen Blatt.

Wäre er kein Leiharbeitnehmer, sondern intern, so wäre es viel schwieriger für mich und meine Firma gewesen, Prinz Charming loszuwerden. Dann hätten wir gerichtsfest die fehlende Arbeitsleistung mit Abmahungen, Einbindung des Betriebsrats usw. lückenlos nachweisen müssen. Immer wieder unterbrochen von Zeiten, in denen er eine Chance auf Besserung bekommen hätte.
Denn leider wäre die Probezeit schon vorbei gewesen. Dieses Problem hat jetzt übrigens die Verleih-Firma.

arboretum, Montag, 2. Juni 2014, 16:31
Ich weiß, dass Leiharbeitnehmer nicht vom Entleiherbetrieb eingestellt werden, sondern vom Verleiher. Da aber normalerweise nicht der Einkauf die Personalbedarfsplanung macht, ist es sinnvoll, es auch den Personalverantwortlichen zu überlassen, Leiharbeitskräfte anzufordern und deren Qualifikation und Referenzen anzuschauen - wie auch die der Arbeitnehmerüberlassung.

Wenn es nur darum geht, Kosten zu reduzieren, dann kann man natürlich diese Aufgabe dem Einkauf überlassen. Der nimmt im Zweifelsfall das günstigste Angebot oder versucht, noch an der Preisschraube zu drehen. In dem Fall braucht man sich aber auch nicht zu wundern, wenn so etwas dabei herauskommt. Zumal wenn die eigenen Mitarbeiter nicht in der Lage sind, während der Probezeit die Defizite zu bemerken und zu benennen. Normalerweise merkt man das schon, ist ja nicht so, dass die Probezeit nur wenige Tage dauert.

Leider bin ich ein schlechter Zuhörer

Damit könnte es auch zusammenhängen, dass Sie nicht merkten, welches Heißluftgebläse Sie da vor sich haben.

witchit, Dienstag, 3. Juni 2014, 23:48
Wie das bei uns läuft, hatte ich hier mal kurz beschrieben.
http://witchit.blogger.de/stories/2318642/
Die Kosten spielen natürlich eine Rolle. Es ist aber nicht grundsätzlich die billigste Person zu nehmen.
Wir suchen uns die Leute nach den Lebensläufen und Gesprächen aus, die sind meist von der Verleihfirma standardisiert. Es ist also im Wesentlichen wie beim richtigen Vorstellungsgespräch.

Zumal wenn die eigenen Mitarbeiter nicht in der Lage sind, während der Probezeit die Defizite zu bemerken und zu benennen.
Wie es dazu kommen konnte, dazu gibt es auch noch einen Beitrag. Hinterher ist man ja immer schlauer (und das ist auch gut so).

klausk, Sonntag, 1. Juni 2014, 09:05
Ich hoffe nur, dass Prinz Charming niemals diesen Blog findet....

Aber sehr interessant, über ihn zu lesen. Nicht sicher, ob ich amüsiert sein soll, oder schockiert. Wahrscheinlich letzteres, aber auch immer gut zu sehen, dass solche Enttäuschungen doch sehr verbreitet sind.

Wir hatten vor kurzem ein sehr gutes Example des Peter-Prinzips. Das hatte auch gedauert, bis das klar wurde. Zumindest bei den Leuten, die verantwortlich waren...

witchit, Sonntag, 1. Juni 2014, 15:08
Tja für mich ist es einfach Großreinemachen im Kopf. Ich konnte das Phänomen nicht einfach ablegen, sondern habe festgestellt, dass das eine Situation für mich zum Lernen ist. So versuche ich also meinen Nutzen daraus zu ziehen. Ich schwanke auch gefühlsmäßig zwischen verschiedenen Extrema, was die Verarbeitung nicht gerade erleichtert. Aber immerhin: ich wachse. Und über den Berg bin ich auch. Habe ziemlich gründlich in meinem Oberstübchen aufgeräumt.

Warum sollte Prinz Charming mein Blog nicht finden? Zu meinen Rachephantasien gehört, dass ich ihm den Link schicke. Es ist nur zwecklos, der ändert sich nicht.