... neuere Einträge
Die Techniken meines Hochstaplers Teil 5
witchit | 02. Juni 14 | Topic 'Hochstapler'
Die Techniken meines Hochstaplers
Teil 5: Den Anschein erwecken
Heute kommen wir zu einer der Kerntechniken der Manipulation. Wie schafft es Prinz Charming, so lange in meinem Team zu überleben?
Er beginnt Sätze und ich beende sie in meinem Kopf.
Das funktioniert phantastisch. Er muss nichtmal wissen, was ich hören will, ich mache es von allein. Wenn er ganz clever ist (und das ist er), hört er mir anschliessend gut zu, denn ich rede über meine Assoziationen. So weiss er beim nächsten Mal dann auch, was ich gehört haben wollte.
Er wirft mir also seine Köder zu und ich zapple an seiner Angel. Als wir über unsere IT lästern, sagt er: "Als ich bei der Frankfurter Bank administriert habe, hatten wir das aber besser im Griff." Ich fühle mich bestätigt. Als wir mal wieder über unsere Software streiten, sagt er: "Also ich bei Daimler gearbeitet habe, haben wir das auch so gemacht." Ich fühle mich bestätigt. Die Leute bei Daimler machen einen guten Job, das weiss ich. "Als ich bei Fraunhofer war, war das genauso." Ich fühle mich bestätigt. Fraunhofer, das ist fast wie wir.
Prinz Charming ist aber auch ein großartiger Illusionist.
Ein Zauberkünstler, ein Magier. Er läßt uns sehen, was er uns sehen lassen will. Und wir sehen, was wir sehen wollen.
Dazu gehört seine Dilbert-Comic-Wand. Nie höre ich ihn auch nur einen von den Dilbert-Sprüchen zitieren. Wenn er doch so ein großer Fan ist, ist das schon verwunderlich.
Dazu gehört auch sein Besuch des Chaos Communication Congress. Er meinte ja, wir würden uns dort sicher treffen, man würde sich zwangsläufig über den Weg laufen. Da sind dann 5000 Leute und es ist nicht wirklich verwunderlich, dass ich ihn nicht treffe. Aber hinterher schwärmt er garnicht davon. Alle Vorträge, die mir in guter Erinnerung sind, scheint er verpasst zu haben. Bei dem Riesen-Angebot kann das natürlich durchaus sein, aber dann war er doch sicher in anderen tollen Vorträgen. Er hat kein Bedürfnis, darüber zu reden. Wenn wir das Thema anschneiden, steigt er nicht drauf ein. Alles nur Schüchternheit?
Heute denke ich: seine beobachtenden Feldstudien über IT-Profis hat er bestimmt dort wieder durchgeführt.
Dass Prinz Charming auf dem CCC war, kann ich an seinem Eintritts-Armband sehen, das er noch mindestens 4 Wochen trägt. 4 Wochen, in denen er nicht ein einziges Mal erwähnt, was er eigentlich dort gemacht hat ausser sich ein T-Shirt zu kaufen.
Denn das T-Shirt trägt er noch öfter. Das Alibi ist also perfekt.
Gleiches gilt für die CeBiT. Auf der Cebit war ich selbst noch nie, aber der Berliner war auch da und der hat Einiges zu erzählen, als ich neugierig nachfrage.
Prinz Charming hingegen versuchte nur im Vorfeld kostenlose Eintrittskarten weiterzuverschenken, aber jeder von uns hatte mindestens selbst drei davon im e-Mail-Postfach.
Dafür hat Prinz Charming sich Details meiner Familienverhältnisse gemerkt, was er bei passender Gelegenheit anwendet, wohl um mir zu schmeicheln.
Das ist ungewöhnlich, das machen selbst meine Lieblings-Kollegen nicht. Mein Bauchgefühl macht das mini-kurze Protestier-Stutz, eines der wenigen Male, in dem ich es direkt wahrnehme, aber leider nehme ich es in diesem Augenblick nicht ernst und später vergesse ich es wieder.
Neben diesen kleinen Tricksereien hat Prinz Charming aber noch das ganze Repertoir der Körpersprache aufzubieten. Er beobachtet unsere Körpersprachen sehr genau.
In den daily Standups, wenn wir alle in Kreis stehen, ist er nie zuerst dran. Meist steht er noch eine Weile hinter seinem Schreibtisch und kommt erst hervor, während der Berliner schon über seine Arbeit berichtet. Im Nachhinein wird mir klar, dass er sich täglich überlegt, welche Arm- und Körperhaltung er heute einnimmt. Auch ist seine Stimme häufig zunächst belegt, was ich immer als Zurückhaltung interpretierte.
Eine seiner Armhaltungen ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil ich so etwas bewusst noch nie bei jemandem gesehen habe:
An diesem Tag verschränkt er die Arme hinter (!) dem Rücken. Nach meinem Körpersprachebuch bedeutet das: Ich bin ganz offen. Dann macht es den Anschein, als muss er sich zum Reden erstmal einen Ruck geben. Die Stimme ist aber belegt und garnicht so charmant wie sonst. Diese Haltung tritt auch nicht wieder auf. Im Rückblick glaube ich auch bemerkt zu haben, dass er eine ganze Weile dazu brauchte, diese Haltung einzunehmen und irgendwie erst Verrenkungen machte.
Das mit sich-erstmal-einen-Ruck-geben stelle ich im Rückblick allerdings öfters fest.
Irgendwann müsste er doch die Zurückhaltung aufgeben, jetzt wo er schon so lange da ist.
Aber wie soll das gehen? Erst muss er an Körpersprache und Stimme denken, gleichzeitig muss er auch noch verbal die nicht vorhandene Leistung kaschieren, das ist schon Hochleistungssport. Er ist ja auch kein Tiefstapler.
Es sind also, rückwirkend betrachtet, bei Prinz Charming eigentlich immer etwas längere Pausen im Spiel, bevor er redet. Fast immer. Es sei denn, er schauspielert. Aber das ist eine andere Technik.
Teil 5: Den Anschein erwecken
Heute kommen wir zu einer der Kerntechniken der Manipulation. Wie schafft es Prinz Charming, so lange in meinem Team zu überleben?
Er beginnt Sätze und ich beende sie in meinem Kopf.
Das funktioniert phantastisch. Er muss nichtmal wissen, was ich hören will, ich mache es von allein. Wenn er ganz clever ist (und das ist er), hört er mir anschliessend gut zu, denn ich rede über meine Assoziationen. So weiss er beim nächsten Mal dann auch, was ich gehört haben wollte.
Er wirft mir also seine Köder zu und ich zapple an seiner Angel. Als wir über unsere IT lästern, sagt er: "Als ich bei der Frankfurter Bank administriert habe, hatten wir das aber besser im Griff." Ich fühle mich bestätigt. Als wir mal wieder über unsere Software streiten, sagt er: "Also ich bei Daimler gearbeitet habe, haben wir das auch so gemacht." Ich fühle mich bestätigt. Die Leute bei Daimler machen einen guten Job, das weiss ich. "Als ich bei Fraunhofer war, war das genauso." Ich fühle mich bestätigt. Fraunhofer, das ist fast wie wir.
Prinz Charming ist aber auch ein großartiger Illusionist.
Ein Zauberkünstler, ein Magier. Er läßt uns sehen, was er uns sehen lassen will. Und wir sehen, was wir sehen wollen.
Dazu gehört seine Dilbert-Comic-Wand. Nie höre ich ihn auch nur einen von den Dilbert-Sprüchen zitieren. Wenn er doch so ein großer Fan ist, ist das schon verwunderlich.
Dazu gehört auch sein Besuch des Chaos Communication Congress. Er meinte ja, wir würden uns dort sicher treffen, man würde sich zwangsläufig über den Weg laufen. Da sind dann 5000 Leute und es ist nicht wirklich verwunderlich, dass ich ihn nicht treffe. Aber hinterher schwärmt er garnicht davon. Alle Vorträge, die mir in guter Erinnerung sind, scheint er verpasst zu haben. Bei dem Riesen-Angebot kann das natürlich durchaus sein, aber dann war er doch sicher in anderen tollen Vorträgen. Er hat kein Bedürfnis, darüber zu reden. Wenn wir das Thema anschneiden, steigt er nicht drauf ein. Alles nur Schüchternheit?
Heute denke ich: seine beobachtenden Feldstudien über IT-Profis hat er bestimmt dort wieder durchgeführt.
Dass Prinz Charming auf dem CCC war, kann ich an seinem Eintritts-Armband sehen, das er noch mindestens 4 Wochen trägt. 4 Wochen, in denen er nicht ein einziges Mal erwähnt, was er eigentlich dort gemacht hat ausser sich ein T-Shirt zu kaufen.
Denn das T-Shirt trägt er noch öfter. Das Alibi ist also perfekt.
Gleiches gilt für die CeBiT. Auf der Cebit war ich selbst noch nie, aber der Berliner war auch da und der hat Einiges zu erzählen, als ich neugierig nachfrage.
Prinz Charming hingegen versuchte nur im Vorfeld kostenlose Eintrittskarten weiterzuverschenken, aber jeder von uns hatte mindestens selbst drei davon im e-Mail-Postfach.
Dafür hat Prinz Charming sich Details meiner Familienverhältnisse gemerkt, was er bei passender Gelegenheit anwendet, wohl um mir zu schmeicheln.
Das ist ungewöhnlich, das machen selbst meine Lieblings-Kollegen nicht. Mein Bauchgefühl macht das mini-kurze Protestier-Stutz, eines der wenigen Male, in dem ich es direkt wahrnehme, aber leider nehme ich es in diesem Augenblick nicht ernst und später vergesse ich es wieder.
Neben diesen kleinen Tricksereien hat Prinz Charming aber noch das ganze Repertoir der Körpersprache aufzubieten. Er beobachtet unsere Körpersprachen sehr genau.
In den daily Standups, wenn wir alle in Kreis stehen, ist er nie zuerst dran. Meist steht er noch eine Weile hinter seinem Schreibtisch und kommt erst hervor, während der Berliner schon über seine Arbeit berichtet. Im Nachhinein wird mir klar, dass er sich täglich überlegt, welche Arm- und Körperhaltung er heute einnimmt. Auch ist seine Stimme häufig zunächst belegt, was ich immer als Zurückhaltung interpretierte.
Eine seiner Armhaltungen ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil ich so etwas bewusst noch nie bei jemandem gesehen habe:
An diesem Tag verschränkt er die Arme hinter (!) dem Rücken. Nach meinem Körpersprachebuch bedeutet das: Ich bin ganz offen. Dann macht es den Anschein, als muss er sich zum Reden erstmal einen Ruck geben. Die Stimme ist aber belegt und garnicht so charmant wie sonst. Diese Haltung tritt auch nicht wieder auf. Im Rückblick glaube ich auch bemerkt zu haben, dass er eine ganze Weile dazu brauchte, diese Haltung einzunehmen und irgendwie erst Verrenkungen machte.
Das mit sich-erstmal-einen-Ruck-geben stelle ich im Rückblick allerdings öfters fest.
Irgendwann müsste er doch die Zurückhaltung aufgeben, jetzt wo er schon so lange da ist.
Aber wie soll das gehen? Erst muss er an Körpersprache und Stimme denken, gleichzeitig muss er auch noch verbal die nicht vorhandene Leistung kaschieren, das ist schon Hochleistungssport. Er ist ja auch kein Tiefstapler.
Es sind also, rückwirkend betrachtet, bei Prinz Charming eigentlich immer etwas längere Pausen im Spiel, bevor er redet. Fast immer. Es sei denn, er schauspielert. Aber das ist eine andere Technik.
Permalink (0 Kommentare) Kommentieren
... ältere Einträge