Mein Hochstapler und die Anderen.
Der Hochstapler und die Anderen.

Ich rede ja gern über meine Probleme, also nerve ich nicht nur mein Blog, sondern auch meine Mitmenschen.

So reagiert meine Umwelt:

Die gutgläubigen Ahnungslosen - nicht wahrhaben wollen:
Sie finden weitere Erklärungsversuche für sein Verhalten oder fallen direkt auf seine Techniken rein.
Aber er war doch so nett, Du musst Dich irren.
Vielleicht hat er ja nur / vielleicht will er ja nur / vielleicht irrst Du Dich ja ...
Früher war er sicher besser, aber im Laufe der Jahre ist er eben auf die schiefe Bahn ...
Du findest seine Abschlussarbeit nicht? Die hat er sicher zusammenkopiert und sich dabei helfen lassen.
Hochstapler? Na wir sind doch nicht in Hollywood!
Ein bisschen blenden ist doch erwünscht - die Gesellschaft verlangt das doch von uns.
Das sind also die Ahnungslosen Gutgläubigen, zu denen ich mich seit einigen Wochen nicht mehr zähle.

Die Tröstenden:
Sie nehmen wahr, wie sehr mich das Thema beschäftigt und sagen tröstende Worte wie:
Wir haben auch einen ganz erfahrenen Chef, der schon 70 Leute eingestellt hat, der war neulich auch auf so jemanden reingefallen.
Ja schreib Du mal Deine Kolumne, Schreiben ist immer gut.
Du bist doch gut, dass Du das rausbekommen hast.
Du hast doch alles getan, was nötig war. Nun vergess das mal.
Der Fall ist jetzt in der Hand des Verleihers.

Die Erfahrenen:
Ja, solche Leute sind immer sehr nett. Aber wenn es an die Fakten geht, dann bleibt nichts übrig.
Ja, ich glaube, ich habe solche Leuten schon durch Abschlussprüfungen durchgewunken. Wenn die dann mit der Mitleidsschiene kommen und ich habe doch keine Zeit, das genau abzuprüfen. (Unser Deutsches Hochschulsystem!)
Ja, solche Leute können sich gut darstellen. Dazu hin und wieder mal etwas Arbeit vom Kollegen neu formatieren und als die eigene ausgegeben.
Du bist noch nie so verarscht worden? Da haste bisher echt Glück gehabt. Ich schau mal, ob Du Dich bei nächsten Gelegenheiten anders verhältst.
(Danke, Chef! Ich hatte schon Angst, jetzt schmeisste mich raus, wo ich doch fast mein Jahresgehalt in den Sand gesetzt habe bzw. Lehrgeld gezahlt habe)

Wenn es sich plötzlich gegen mich wendet:
Unser Einkäufer guckt mich an, als wenn ich Prinz Charming nachträglich aus Rache eine reinwürgen will. Dann versucht er doch, mir zu glauben: Woran machen Sie das fest?
Du hättest ihn halt besser einarbeiten müssen.
Du hättest ihn garnicht erst einstellen dürfen, selbst schuld.
Das ganze Projekt war doch von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Was hast Du erwartet?
Weitere Vorbehalte gegen Leiharbeitnehmer - das war mir auch neu, dass es die so massiv gibt!
Die Gesellschaft will es doch so, was regst Du Dich darüber auf?

Die Ich-habe-es-gleich-gemerkt-Reaktion:
Kaum spreche ich es aus, haben es alle schon vor mir bemerkt gehabt, dass die Arbeitsleistung schlecht war, dass man sich mit Prinz Charming nicht über die Arbeit unterhalten konnte ...
Komisch nur, dass keiner was zu mir gesagt hatte. Leute, traut Euch!

Und jetzt zu meinem Anteil an der ganzen Geschichte.
Darum mach ich mir ja den ganzen Aufwand, um daraus zu lernen und rauszufinden, was ich dazu beigetragen habe.
Hier meine Erkenntnisse:
Unerfahrenheit (ja ich bin naiverweise davon ausgegangen, dass alle genauso motiviert sind wie ich)
mangelnde Wachsamkeit (echt nicht mit sowas gerechnet!)
Wunschdenken / eigene Pläne (ich wollte gern mein eigenes Team noch eine Weile behalten, mit dem Weggang von Prinz Charming habe ich auch mein Team verloren)
nicht wahrhaben wollen (der eigenen Wahrnehmung und/oder Intuition nicht ausreichend Aufmerksamkeit schenken)
schlecht zuhören (selbsterklärend)
sich nicht ausreichend an Fakten orientieren (hätte eben mehr Management by objectives machen müssen)
sich nicht ausreichend Zeit nehmen bzw. diese zu einseitig in gutes Arbeitsklima investieren (fällt unter Unerfahrenheit)
Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen (selbsterklärend)
zu gutmütig (zuviel Gospel-Chor?)
zu offen (hier hat mich mal Prinz Charming kritisiert. Dabei ging es natürlich um seinen Arsch.
Aber ist es eine Schwäche, in einer Führungsposition auch seine Schwächen zu zeigen? Und wie viel davon?)

Was tun, wenn man den Verdacht hat, einem Hochspapler aufgesessen zu sein?
Erstmal zählen nur Fakten, Fakten, Fakten. Die sind bei Prinz Charming dünn.
"Woran machen Sie das fest?" Diese Frage meines Einkäufers ist durchaus nicht leicht zu beantworten. Ich kann es immer noch nicht. Das ist richig viel Arbeit, wenn man es in der Anfangszeit versäumt.
Rechnen Sie mit diversen Widerständen und Gegenwind. Vom Hochstapler und von seinem /Ihrem Umfeld.
Konfrontation ist laut meinen Recherchen wenig sinnvoll, es sei denn, man ist im Team mit mehreren eingeweihten Personen, auf die man sich verlassen kann.
Konfrontation würde auch bedeuten, mit neuen Lügen und ggf. anderen, unangenehmeren Seiten konfrontiert zu werden - können und wollen Sie das riskieren?
Wie harmlos ist Prinz Charming? Ich wage das nicht zu beurteilen. Nur weil ich keine Agressionen beobachten konnte, bin ich hier lieber vorsichtiger und nunmehr wachsamer.
Wann ist das Ganze denn strafbar? Blenden und so-tun-als-ob ist es jedenfalls nicht. Pech gehabt.
Urkundenfälschung, da geht schon eher was. Ich schaffe es immerhin bis zu einer erfolglosen (!) Bibiotheks-Internet-Recherche nach seiner Abschlussarbeit. Aber sicher bin ich nicht.

Überhaupt die Wachsamkeit!
Da steht sie, mittendrin, extra nachgetragen. Das Foto ist von 2011. Damals hatte ich es nicht kapiert, ich erinnere mich noch daran.
Ich hätte es also besser wissen können und sollen, aber jetzt ist die Lektion angekommen.


Sonst noch Tipps, liebe Blogger*innen?

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arboretum, Donnerstag, 5. Juni 2014, 15:24
Kaum spreche ich es aus, haben es alle schon vor mir bemerkt gehabt, dass die Arbeitsleistung schlecht war, dass man sich mit Prinz Charming nicht über die Arbeit unterhalten konnte ...

Bitter, dass keiner von sich aus den Mumm hatte, das Ihnen zu sagen. Vielleicht hilft es, beim nächsten Mal früher die Kollegen anzusprechen, um zu hören, wie die denjenigen einschätzen. Und Referenzen einzuholen, also die früheren Vorgesetzten einfach einmal anzurufen. Insbesondere, wenn die eigene Wahrnehmung schon Alarm geschlagen hat.